Wenn ein Kind geboren wird, ist es ein ‘Kággaba’. Das Neugeborene ist ein gleichwertiges Mitglied in einer egalitären Kultur, welches sich von den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft dadurch unterscheidet, dass es noch kein menschliches Bewusstsein hat – es ist noch ganz im Zustand von ‘Aluna’.
Die neue Seele, wie die Kággaba ihre Neuankömmlinge liebevoll nennen, wird im Bewusstwerdungs-prozess von der ganzen Gemeinschaft gefördert und unterstützt, d.h. es ist ein Gemeinschaftswerk aller.
Wie ist das zu verstehen?
In unserer Gesellschaft sind die Erwachsenen für eine ‘altersgerechte’ Erziehung der Kinder zuständig. Die Entwicklung der Kinder erfolgt stufenweise im Rahmen vorgegebener Normen: Mit sieben kommt man in die Schule etc. Bestimmte Events sind Erwachsenen oder Jugendlichen vorbehalten, andere den Kindern.
Bei den Kággaba sind die Kinder immer und überall dabei. Sie lernen Alltägliches durch beobachten, mitmachen, ausprobieren. Dadurch können sie sich so entwickeln, wie es ihnen entspricht. Sobald die Kinder laufen können, dürfen sie überallhin mitgehen. Gehen Jugendliche in den Wald um Holz zu sammeln, gehen sie mit und sammeln kleine Holzstücke, die sie gut tragen können. Sie dürfen die Holzstücke ans Feuer legen und lernen dabei unter anderem, dass die schmale Seite in Richtung Feuer schauen muss und warum.
Im Alter von ca. fünf Jahren beginnen sie, die Arbeiten zu lernen, die in den Aufgabenbereich der Frauen bzw. der Männer gehören: Die Mädchen helfen im Haushalt mit und die Jungs helfen im Garten und versorgen die Tiere. Dadurch lernen sie von klein auf, in einer Gemeinschaft und in einem Miteinander zu leben. Schon sehr früh können sie sich sicher im Dschungel zu bewegen. Im Alter von ca. sieben Jahren ist ihr Bewusstsein so weit entwickelt, dass sie sich selbst versorgen können.
Abends wiegen die Frauen die Kinder in den Schlaf und singen ihnen dabei Lieder vor oder erzählen Geschichten von ihrer Kultur. Denn sie wissen, dass die Kinder vor dem Einschlafen am besten zuhören.
Sexualität ist bei den Kággaba dagegen ein sehr heiliges Ritual, welches den Erwachsenen vorbehalten ist. Die Kinder werden in dieses Geheimnis erst eingeweiht, wenn sie alt genug sind: Die Mädchen, wenn sie den ersten Mond bekommen und die Jungs, wenn sie den Poporro erhalten. Sprich: Wenn sie die Reife erlangt haben, Nachkommen zu zeugen und ihr Bewusstsein so weit entwickelt ist, dass sie die Heiligkeit dieses Rituals würdigen können.
Der Bewusstwerdungsprozess verläuft – wie der Lebensfluss – fliessend. Die Kinder entscheiden selber, was sie wann lernen. Manchmal bekommen sie auch Impulse, indem ihnen etwas gezeigt und/oder erklärt wird. Durch die Art und Weise, wie die Gemeinschaft funktioniert, lernen sie dennoch alles und sind schon sehr früh bemerkenswert gebildet. Ihnen ist bewusst, was es bedeutet, spirituelle Arbeit zu leisten und als Mensch Hüter von Mutter Erde und Beschützer der Natur zu sein.
Es ist immer jemand da, der sie behütet, indem er sie beobachtet – nicht im Sinne von ‘Helikopter’-Eltern, sondern um sie zu beschützen. Und wenn es wirklich mal notwendig ist, reichen in der Regel wenige Worte aus, um ein Kind wieder ins Gleichgewicht zu bringen.