Klang, Gesang, Tanz

 

Lieder, Tänze, Musik haben für die Kággaba eine sowohl kulturelle, als auch spirituelle Bedeutung. Sie enthält ein komplexes Gedankensystem mit tiefem spirituellen Inhalt, der in das ganzes Leben eingebettet ist. Es sind Ausdrucksformen, über welche die Kággaba in Verbindung mit Wissen, mit Vorfahren, mit der Natur, mit dem Kosmos treten und zur individuellen und zur kollektiv-existenziellen Konfliktlösung angewandt werden. Die Kraft der Musik hat zudem eine grosse Schutzwirkung. Das sind Gründe dafür, warum Musik und Tanz für die  Kággaba sehr heilig sind. 

Die Klänge der Lieder der Kággaba sind sehr monoton. Doch sie bilden Gesangsmelodien, welche die Seele mit Ruhe und das Dasein mit Geduld erfüllen. Sie formen eine Musik, die uns vom Gedankenkarussell befreit, still werden lässt und zum Zuhören auffordert. Unsere Ohren sind diese archaische Musik nicht mehr gewohnt, doch wer sich auf sie einlässt, kann die Erfahrung machen, dass der Rhythmus zu tiefsten Gefühlen führen und eine Heilwirkung entfalten kann.  

Die Gesänge der Kággaba haben eine magische Kraft und beinhalten das Wissen der Mamos und der Ahnen. Mit dem Gesang wird an Mutter Erde eine energetische Ausgleichszahlung (Pagamento) geleistet, um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Die Kinder der Kággaba werden von klein auf dazu erzogen, ihre Harmonie mit der Natur zu pflegen. Zusammen mit den Erwachsenen singen und tanzen sie an heiligen Orten, um körperliche und geistige Krankheiten bei Pflanzen, Tieren und Menschen zu beseitigen, denn alle Wesen der Natur und ihre Handlungen sind durch das Prinzip des Gleichgewichts und der Fürsorge miteinander verbunden. 

Die Gesänge werden von verschiedenen Instrumenten begleitet. Jeder Gesang hat seinen eigenen Tanz. Die Kággaba haben Tänze für Mutter Erde, das Wasser, das Licht, die Luft, die Dankbarkeit. Und sie haben Tänze für Versöhnungszeremonien, beispielsweise für die Fruchtbarkeit auf den Feldern, in denen sie die Bewegungen der Aussaat und der Ernte darstellen.  

Durch den Tanz werden negative Energien an Mutter Erde abgegeben und positive Energien aufgenommen. Während des Tanzes werden Schatten losgelassen, die Menschen begleiten und sie daran hindern, vorwärtszukommen. Die Tanzschritte sind Schritte auf dem Weg zur Heilung der Seele und des Körpers, welcher aus Energiefeldern besteht. Klang und Tanz werden unterschiedliche Energiefelder kreiert. Tanz und Gesang sind aber auch wichtige Werkzeuge und Manifestationen der Ahnen, weil sie ihnen ermöglichen, mit Mutter Erde und den lebenden Menschen zu kommunizieren.  

Die Tänze können zu verschiedenen Bewusstseinszuständen führen, aber auch helfen, Ängste loszulassen. Es handelt sich um einen Prozess, der einen Zugang zur Transformation ermöglicht. Die Lieder der Kággaba können die Tür zu den Mythen öffnen und die Menschen mit einer anderen, nahen Welt verbinden, die wir nicht sehen können. Indigene Völker haben ein anderes Verständnis des Lebens, weshalb es für sie natürlich ist, sich den verschiedenen Daseinsebenen zu öffnen.  

 

Erinnerung an unsere Wurzeln 

Auch in unserer Kultur kennen und kannten wir die Verbindung von Klang, Gesang und Tanz.  

Ein traditioneller Kreistanz, der heute noch lebendig ist, ist der Maitanz mit seiner wichtigen symbolischen Bedeutung für die Verbindung zwischen Himmel und Erde, das Wiedererwachen der Natur, die Fruchtbarkeit, die Verbindung zwischen Menschen und Natur, das gemeinsame Feiern des Lebens als ein Geschenk und das Flechten und Entflechten. 

In Vergessenheit geraten dagegen sind die Vogeltänze unserer Ahnen. Die Menschen versammelten sich in einem die Einheit symbolisierenden Kreis. Der Vogel versinnbildlichte eine ganzheitliche, universelle Betrachtungsweise und einen Perspektivenwechsel auf das grosse Ganze. Er half den Menschen, ins Bewusstsein der Einheit und Harmonie zurückzufinden, indem er sie Widerstände, Verletzungen, Schmerz erkennen liess, welche im Rhythmus von Musik und Gesang geheilt werden konnten. 

Unsere Erinnerung beginnt damit, dass wir die Klänge, die tief aus unserem Inneren kommen, wieder zulassen und singen, auch wenn sie uns ungewohnt erscheinen.